Das Fest wird (nicht) gefeiert!
Das in allen Verlautbarungen ausgesprochene Ziel der Vereinsgründung war die Feier des Schützenfestes. Als der Gemeindevorsteher Schulte „die Eingesessenen der Gemeinde Meinkenbracht“ am 24. August 1879 zu einer polizeilich genehmigten Versammlung eingeladen hatte, waren deswegen so ziemlich alle erwachsenen Männer des Dorfes (39) mit dem Lehrer Anton Stöcker an der Spitze erschienen.
Das erste Schützenfest wurde dann auch 1880 gefeiert. Bezeichnend für die gute Nachbarschaft ist es, daß ein „buiterling“ Schützenkönig werden konnte: „Franz Böhmer in Linnepe“. Sein Name ziert die erste Plakette an der Schützenkette.
Beachtenswert ist jedoch, daß zwei Jahre später das Schützenfest schon ausfiel. Am 11. April 1882 heißt eine Niederschrift „In Betreff der hiesigen diesjährigen Abhaltung des Schützenfestes wurde mit Stimmen-Mehrheit beschlossen, dasselbe in diesem Jahre auszusetzen“. Auch 1891 „. . . wurde durch Stimmenmehrheit beschießen dasdiesjerige Schützenfest nicht zu feiern“. Der gleiche Beschluß erfolgte 1892, 1894, 1895, 1897. Im Protokoll von 1899 ebenfalls: „Bei Abstimmung des Festes wurde durch Stimmenmehrheit beschlossen, das Fest dies Jahr nicht zu Feiern“. 1900: „… nicht zu feiern“. 1911: „kein Fest zu feiern“. 1912: „. . . in diesem Jahre auszusetzen“. Im ersten Weltkrieg wurde es natürlich nicht gefeiert. Jedenfalls fällt auf, wie oft die Meinkenbrachter im Anfang des Bestehens der Bürgerschützengesellschaft auf das „Fest aller Feste“ verzichtet haben.
Eine Amerikanerin als Schützenkönigin! Das war im Jahre 1908, als Herr Josef Kaiser Schützenkönig geworden war. Diese Miß aus den USA war zu Besuch in Old Germany mit ihren Eltern; und diese hatten die Schützengesellschaft finanziell unterstützt. Es muß allerdings bemerkt werden, daß sie aus Deutschland nach Amerika ausgewandert waren.
Dann hatte man selber Millionen- und Milliardenbeträge in der Kasse, aber man bekam nichts für diese prächtigen großen Papierscheine in der sog. Inflation der 20er Jahre. Also fällt das Fest 1922 mal wieder aus. Ebenso 1923: „Ein Fest kann nicht gefeiert werden wegen der Ungunst der Verhältnisse“. Auch als man wieder „Goldmark“ in Händen hat, fällt 1924 das Fest aus. Stattdessen sollen von den Mitgliedern Aktien zu 10 Mark erworben werden „zur Neubeschaffung von Beschuß (Bretterboden) in das Tanzzelt“. 1926 wurde ein eigener erster Vorsitzender außer dem Hauptmann gewählt: Anton Schneider.
Das fünfzigjährige Bestehen feierte man am 10. August 1930. Nach dem Hochamt wurde der Jubelkönig ausgeschossen. Das wurde Fritz Düperthal, der sich Frau Anna Winter zur Königin nahm.
Der Anfang der Nazi-Diktatur hatte wohl auch den Meinkenbrachtern die Lust am Fest verdorben. Am 17.4.1933 heißt es in der Generalversammlung „Mit ja stimmten 10 Mitglieder, mit nein 19 Mitglieder bei 4 Stimmenthaltungen. Das Fest soll also nicht gefeiert werden“. Der „Gleichschaltung“ konnte man nicht entgehen. Aber daß die Nazi-Gesinnung nicht tief saß, geht aus mancherlei Äußerungen der vorliegenden Papiere hervor. Der Vereinsführer schloß zwar vorschriftsmäßig die Versammlungen mit dem üblichen 3fachen „Sieg-Heil!“. Aber es wurde z.B. abgelehnt, die Rechnung für die Nazi-Zeitschrift „Heimat und Reich“ zu bezahlen, weil sie nicht bestellt worden sei. (13.4.36). Und im Krieg (5.6.43) beschloß man „Für die lebenden und verstorbenen Mitglieder, soll eine Schützenmesse, ebenso für die Mitglieder welche zum Kriegsdienst einberufen sind, soll eine Messe gelesen werden“.
Am 13. April 1947 befinden sich zwar noch 6 Mitglieder in Kriegsgefangenschaft; 8 Mitglieder sind gefallen, aber „Das Fest wird gefeiert“; denn wie sagt man? „Das Leben geht weiter!“. Mit Steinen abgeworfen wird der Vogel in diesem zweiten Nachkriegs-Jahr, weil die Besatzungsmächte den „kriegslüsternen“ Deutschen kein Gewehr in die Hand geben wollen, auch nicht um auf hölzerne Vögel zu schießen! Bester „Schmeißer“ war Franz Kaiser, also Schützenkönig 1947. Natürlich gab es auch noch nichts Alkoholisches öffentlich zu kaufen. Die „Sieger“ ließen die Deutschen erst mal hungern und dürsten. Aber diese hatten erfinderisch einen Tabakeigenbau entwickelt und auch einen „Eigenbrand“ zu scharfen Gewässern mitgebracht; und damit bestritt man — lebenshungrig nach den Grauen des zweiten Weltkrieges — das „Fest der Feste“ 1947. Und seit diesem Jahr bis heute ist das Schützenfest nicht mehr ausgefallen. Natürlich lief noch nicht alles glatt.
Am 18.4.1948 wurde bei der Generalversammlung beschlossen „Bei der Militärregierung soll Antrag gestellt werden, um Genehmigung zu erteilen den Vogel mit geliehenen Militärgewehren abschießen zu können“. Aber das klappte dann doch nicht. Einen Monat später hob man den Beschluß auf: „Das Vogelabschießen mit Militärgewehren wird wegen entstehenden Kosten an der Vogelstange aufgehoben“. Im Jahre 1950 wurde der Vogel mit Luftgewehren und Armbrüsten zur Strecke gebracht.
Das 75jährige Jubelfest wurde 1954 begangen. Obwohl das ganze Jahr verregnet war, herrschte an diesen Festtagen vom 31.7. — 2.8. herrlichster Sonnenschein. Jubelkönig wurde der Bauer Johannes Kaiser. Er nahm natürlich seine Frau zur Königin.
Die Generalversammlung des Jahres 1960 regte den Bau eines Ehrenmals für die Opfer des Krieges an und stiftete dafür DM 1000,—. Im Jahre 1961 war Albert Kaiser 40 Jahre Brudermeister. Er schoß beim Fest den Vogel ab und wurde Schützenkönig.
„Das Fest findet statt“ so kann man nur noch über die Berichte in allen anderen Jahren schreiben. Das Dorf verkleinerte sich durch Abwanderung zwar immer mehr. Die Schule wurde im August 1969 aufgehoben. Seit dem Weggang von Militärpfarrer a.D. Franz Stutte hatte die Schützenbruderschaft keinen Präses mehr; und seit dem Tode des Geistlichen Rates Wilhelm Pieschek gab es auch keinen Priester mehr am Ort. Die Teilnehmer nur aus der eigenen Gemeinde hätten die Kosten des Festes nicht aufbringen können. Aber dank des Einsatzes der Mitglieder und durch viel Besuch von auswärts konnte das Fest konstant gefeiert werden. Eine gewisse Konstante bildet dabei der Musikverein von Endorf, der seit 1949 regelmäßig die musikalische Umrahmung gibt. In früheren Jahren und Jahrzehnten waren es die Musikkapellen aus Sundern, Ostentrop und oftmals Wenholthausen.
Nach den Erfahrungen der letzten Zeit wird man erwarten dürfen, daß auch in künftigen Protokollen der Generalversammlungen der lapidare Satz steht „Das Fest wird gefeiert!“
(aus „Festschrift 1879 – 1979 Hundertjahrfeier der Schützenbruderschaft St. Nikolaus Sundern- Meinkenbracht“ ; Wilhelm Zinselmeyer, Pfarrer)